Marcs schwere Nacht

Marc Miller war schlecht gelaunt. Übermüdet saß er am Gang der zweiten Reihe in der Business-Class des startbereiten Swiss-Airbus auf dem Rückflug nach Zürich. Er hatte eine sehr kurze Nacht mit viel Wodka und einigen Koks-Nasen hinter sich. Gegen 4:00 Uhr morgens hatte ihn dann noch die Hexe aus seinem erschöpften Schlaf geholt. So nannte er seine Ex-Frau, die nach ihrer Trennung in die USA zurückging und nun mit ihrem gemeinsamen Sohn in Chicago lebte. Erneut forderte sie zusätzlichen Unterhalt und drohte mit ihrem unverschämten Anwalt. Jeder Gedanke an die dreijährige Ehe trübte seine Stimmung. Nein, im Moment war sein Leben gar nicht lustig. So viel er auch verdiente, gegen seine astronomischen Ausgaben kam Marc Miller kaum noch an. Dabei musste er kurz an die 2.000 Euro denken, die er am Vorabend für den kurzen Besuch eines Escortmodells in seinem Hotelzimmer bezahlt hatte. Viel Geld für ein äusserst schnelles wenn auch freudvolles Vergnügen. Die dominante Tschechin war ihm von einem vertrauten Concierge empfohlen worden und entpuppte sich schnell als eine wahre Meisterin ihres Fachs. Das Honorar war üppig, aber jeden Cent wert. Daher würde er sie bei seinem nächsten Besuch in Frankfurt gern wieder buchen. Vielleicht wäre sie mit einem günstigeren Honorar einverstanden, wenn er ihr künftiger Stammgast werden würde. Eine solche Vereinbarung hatte er schon mehrfach mit exklusiven Liebesdienerinnen getroffen. Der umtriebige Geschäftsmann lebte allein in einem großflächigen Penthouse in Zürich in unmittelbarer Nachbarschaft zum renommierten „The Dolder Grand“ am Westhang des Adlisbergs. Wann immer er zuhause war, nutzte er gern das große Wellness-Angebot des 5-Sterne-Hotels, in dem ebenfalls die meisten seiner auswärtigen Besucher abstiegen. 

 

Seit über zehn Jahren wohnte der gebürtige Frankfurter nun in der Schweiz und profitierte von den hohen steuerlichen Vergünstigungen im Kanton Zug. Angesichts seiner siebenstelligen Umsätze und den vergleichsweise hohen Einkommenssteuern in Deutschland sparte er auf diese Weise jährlich mehrere Hunderttausende Euro an den Fiskus. Geld, das er für seinen extrem hohen Lebenswandel dringend benötigte. Allein die Abfindungen und fortlaufenden Unterhaltszahlungen nach zwei Scheidungen kosteten ihn ein Vermögen. Dabei war der körperlich eher schmächtige Großverdiener mit der nach hinten gegelten Mafiosi-Frisur erst Anfang 40. 

 

Nervös schaute er auf seine neu erworbene Platin-Rolex und hoffte auf eine pünktliche Landung auf dem Flughafen Kloten. Er war um 13:00 Uhr mit einem russischen Geschäftsfreund bei „Bindella“ in der City verabredet. Ein beliebter Treffpunkt für anspruchsvolle Geniesser der gehobenen italienischen Küche. Das erfolgreiche Restaurant wurde mittlerweile in vierter Familiengeneration geführt. Zu seinen Stammgästen zählte ebenso die konservative Zürcher Gesellschaft wie auch ein internationales Publikum mit schrillen Yuppies, verliebten Paaren und typischen Geschäftsleuten. Hier hatte er vor einiger Zeit auch Sergej Petrov kennengelernt. Seither verabredeten sich die beiden Männer gelegentlich im „Bindella“. Der russische Geschäftsmann stammte ursprünglich aus St. Petersburg und lebte seit Mitte der 90er Jahre mit seinem Vater in London. Hin und wieder hatte er kurzweilige Affären mit attraktiven Frauen, die ihm aber wenig bedeuteten. Sergej Petrov war nie verheiratet und hatte auch keine Kinder. Da er viele Geschäfte über die Schweiz abwickelte, kam er regelmäßig nach Zürich. Angeblich soll er sein milliardenschweres Vermögen mit Waffengeschäften in Afrika und Südamerika gemacht haben. Der körperlich kräftige Oligarch war in seinem gesellschaftlichen Umfeld mehr gefürchtet als beliebt. Um ihn gab es immer wieder Gerüchte über direkte Verbindungen zur russischen Mafia in Europa und den USA. Marc Miller glaubte diesen Spekulationen. Er war davon überzeugt, dass ein gutes Verhältnis zu diesem einflussreichen Mann nur von finanziellem Vorteil sein könnte. Allerdings gab es bislang noch keine Gelegenheit, ihre lockere Bekanntschaft in einträgliche Geschäfte zu erweitern. 

 

Die beiden Männer hatten sich vor zwei Jahren im King´s Club des „Palace Hotel“ in St. Moritz kennengelernt und freundschaftlich um die Gunst einer hochgewachsenen Polin gebuhlt, die sich für die Skisaison eine kleine Wohnung in dem alpinen Ferienort mit einer italienischen Freundin teilte. Abend für Abend hofften..... 

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